Was macht eigentlich ein Projektmanager
bei einem Sprachdienstleister?
Auf die Frage «Was machst du beruflich?» antworte ich jeweils: «Ich habe Übersetzen studiert, arbeite jetzt aber im Projektmanagement.» Die meisten denken dann bestimmt, dass ich einfach «nur» Übersetzungsaufträge koordiniere bzw. Texte hin- und herschiebe. Doch der in der Sprachdienstleistungsbranche übliche Begriff Projektmanager kommt nicht von ungefähr. Die Projektmanager bei uns in der ARGUS Sprachmanufaktur leisten auch Projektmanagement im klassischen Sinne. Deshalb habe ich eine Weiterbildung zum Thema Best Practice im Projekt- und Risikomanagement nach PMI an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) besucht. Das theoretische Wissen zum Projektmanagement hilft mir dabei, Projekte strukturierter anzugehen, Risiken von vornherein zu identifizieren und bestenfalls zu vermeiden.
Die Standardaufträge
Klar, es gibt Standardaufträge, die dank unserem neuen Projektmanagement-Tool Plunet (s. Blogbeitrag Sprachmanufaktur 2.0 vom 11. Mai 2020) reibungslos über die Bühne gehen und für die unsere gut eingeführten und erprobten Prozessvorlagen greifen. Hier besteht die Aufgabe der Projektmanagerin darin, den Text zu analysieren, geeignete ÜbersetzerInnen und RevisorInnen auszuwählen und zu prüfen, ob die Datei allenfalls noch vorbereitet werden muss und ob noch weitere Informationen notwendig sind. Dafür braucht es unter anderem ein gutes Verständnis der verschiedenen Ausgangssprachen. Denn für die Auswahl der richtigen ÜbersetzerInnen muss die Projektmanagerin den Text entsprechend einordnen können.
Zudem gehört bei uns in der ARGUS Sprachmanufaktur auch die Finalisierung zu den Aufgaben der Projektmanagerin. Dabei überprüft die zuständige Person die Korrekturen der RevisorInnen, erstellt die Zieltexte und prüft diese nochmals vor der Endlieferung an den Kunden. Nicht selten fällt unserem geschulten ARGUS-Auge bei diesem Schritt nach dem Sechs-Augen-Prinzip noch ein kleiner Formatierungs-, Tippfehler oder eine sonstige Unstimmigkeit auf. Denn alle Projektmanagerinnen der ARGUS Sprachmanufaktur sind diplomierte Übersetzerinnen und sorgen deshalb für eine saubere Qualitätssicherung (s. Team).
Die Grossaufträge
Sobald jedoch ein Auftrag vom Standardprozess abweicht, sind die organisatorischen Fähigkeiten der Projektmanager gefragt. Denn ein Projekt ist laut Definition «ein zeitlich definiertes und begrenztes Vorhaben mit dem Ziel, ein einmaliges Produkt, eine Dienstleistung oder ein Ergebnis zu schaffen» (Quelle: PMBOK® Guide (Project Management Institute, USA), Sixth edition, 2017). Wenn also zum Beispiel ein Neukunde einen Grossauftrag mit neuen Anforderungen platzieren möchte, wird die Projektmanagerin zur Projektleiterin. Es braucht unter anderem eine Stakeholder-Analyse: Wer ist alles involviert? Welche Motivation und Interessen haben die Beteiligten und die Betroffenen? Was muss demzufolge im Voraus geklärt oder abgestimmt werden, damit das Projekt später bei der Umsetzung auf möglichst wenig Widerstand stösst? Wo braucht es Trainings und Kommunikation? Braucht es eine neue IT-Schnittstelle, neue Ressourcen, einen neuen Prozess?
Dabei spielt auch das magische Dreieck eine Rolle. Es beschreibt drei Faktoren, die den Projekterfolg bestimmen: Zeit, Kosten, Umfang/Qualität. Damit gibt es dem Projekt einen Rahmen. So kann die Projektleiterin dem Kunden oder dem Sponsor aufzeigen, dass diese drei Faktoren voneinander abhängig sind. Wenn also beispielsweise der Umfang des Projekts grösser ausfällt als geplant, braucht man dafür mehr Zeit, was mit höheren Kosten verbunden ist. Sonst besteht das Risiko, dass das Projekt misslingt, weil entweder die Kosten explodieren, die Zeit nicht eingehalten werden kann oder die Qualität nicht zufriedenstellend ist. Dabei ist die Kommunikation das A und O. Denn der Erfolg eines Projekts, so betont meine Dozentin an der ZHAW, Monika Keller, hängt zu 90 % davon ab.
Projekte im klassischen Sinne
Dann gibt es natürlich in einem Sprachendienst oder bei einem Sprachdienstleister wie der ARGUS Sprachmanufaktur auch Projekte, die über das Projektmanagement der Übersetzungs- oder Lektoratsaufträge hinausgehen. Führungspersonen oder FachspezialistInnen werden oft mit Projekten betraut – wie beispielsweise der Einführung von neuen Prozessen (z. B. für die Zertifizierung nach der ISO-Norm 17100) oder Dienstleistungen (z. B. das Post-Editing von maschineller Übersetzung), der Steigerung der Produktivität durch die Anschaffung neuer Systeme oder das Einrichten einer Kunden-Plattform (z. B. Plunet BusinessManager) –, verfügen aber nicht über die Grundkenntnisse im Projekt- und Risikomanagement und handeln folglich nicht nach Best-Practice-Ansätzen. Dabei besteht laut Monika Kellers jahrelanger Erfahrung die Gefahr, dass sie die Vorgaben von oben oder von den Kunden ungeprüft umsetzen, ohne vorgängig eine Stakeholder-Analyse zu machen oder einen Risikomanagementplan zu erstellen.
Denn die Rahmenbedingungen, so Monika Keller, sollten zu Beginn geklärt werden, um Ineffizienzen und Frust im Verlauf des Projekts zu vermeiden. Im Projektauftrag soll unter anderem das Projektziel und das Budget definiert werden. Anhand eines Risikomanagementplans können Risiken frühzeitig erkannt und Massnahmen dagegen ergriffen werden. Ein Projektstrukturplan (PSP) mit Arbeitspaketen, die im Team verteilt werden und deren Fortschritt über ein Gantt-Diagramm gemessen werden kann, hilft dem Projektleiter dabei, den Überblick über das Projekt zu behalten. Nach Beendigung des Projekts wird mit «Lessons learned» Bilanz gezogen: Was lief gut, was weniger? Was lernen wir daraus fürs nächste Mal? Wo müssen wir gegebenenfalls noch etwas nachbessern, damit das Projekt nachhaltig Erfolg hat?
Fazit: Die Rolle des Projektmanagers ist vielseitig
Der Projektmanager ist also weit mehr als nur Koordinationsstelle für Übersetzungsaufträge. Monika Keller hat uns gelehrt: «Der Projektleiter ist der wichtigste Integrator. Er muss nicht alles wissen, aber er muss wissen, wen fragen, und die richtigen Menschen an Bord holen. Er ist sowohl Moderator, Organisator, Selbstorganisator, Verkäufer, Fachmensch als auch Konfliktmanager.»